Trennungskinder-Psychologie

Wenn der Bindungsfaden reißt: Was Trennung mit deinem Kind macht


Du weißt es mittlerweile bestimmt schon: Trennung ist für uns Bindungswesen die größte Bedrohung. So sind wir nunmal gestrickt 😉
 
 Aber wenn Du jetzt bei Trennung nur an phyische Trennung denkst - an das "nicht-zusammensein-mit" - dann lies bitte weiter!
 
 Es gibt nämlich viele weitere Erfahrungen, die sich für Dein Kind wie Trennung anfühlen, auch wenn Du sie vielleicht nicht auf den ersten Blick als solche erkennst.
 
 Wie wär's damit: 

  • Anders als andere sein: Weil Dein Kind sehr schüchtern ist. Weil es sooo viele Wutanfälle bekommt wie kein anderer aus der Familie. Weil es ein Pflegekind ist. Oder weil Dein Kind eine andere Hautfarbe hat als die allermeisten Kinder in der Klasse. 


  • Aber auch: Nicht dazugehören. Nicht wichtig sein. Sich nicht geliebt fühlen. Nicht verstanden werden...


  • Trennung steckt auch in verbreiteten Disziplinierungsmaßnahmen: Time Outs, Schweigebehandlungen und Liebesentzug. Auch beliebt: Das Lieblingsspielzeug des Kindes wegnehmen.


  • Und natürlich gibt's die klassischen physischen Trennungen wie die Schlafenszeit. Die Zeit in Kindergarten und Schule. Oder auch der Wechsel zwischen zwei Elternhäusern, wenn die Eltern nicht zusammen leben.


All diese Erfahrungen sind schmerzlich und - ja - sie haben alle mit einem Erleben von Trennung zu tun. Und das macht Alarm und Frustration. Und verstärkt das Nähestreben: Dein Kind wird zu einem Klammeräffchen.
 
Kommt Dir davon etwas bekannt vor? Achte mal in der nächsten Zeit darauf, wo diese Erfahrungen von Trennung Dir in DEINEM Leben begegnen. Wo fühlst Du Dich anders? Nicht zugehörig? Nicht wertgeschätzt und verstanden? Und was löst das in Dir aus?
 
 Dann schau, ob Du dies im Leben Deines Kindes entdeckst.
 
Und natürlich gibt es auch die großen Trennungen - wenn Elternpaare auseinander gehen.
Darum geht's in meinen Elternkursen.
 
P.S.: Mehr zum Thema Trennung findest Du auch in meinem Interview mit der kanadischen Elternberaterin Jule Epp

Wie Du in einfachen Schritten Trennungssituationen überbrückst

Rund um das Thema Trennung gibt es EIN einfaches Grundprinzip, das Du in jedem Fall draufhaben solltest: Du legst den Fokus niemals auf die Trennung - sondern immer auf den nächsten Verbindungspunkt.
 
In der Sprache ist es drin – auf Wiedersehen, au revoir, ci vediamo...
  
Heißt: Wenn Du Dich am Morgen von Deinem Kind verabschiedest, betonst Du was Ihr beim Wiedersehen gemeinsam Schönes tun werdet. Ein Eis essen, ein Lieblingsbuch lesen, eine Runde Kuscheln, eine Verabredung mit Freunden.
  
Wenn Dein Kind noch sehr klein ist und die Zeit bis zum Wiedersehen lang, bietest Du Verbindungspunkte für zwischendurch an: 

  • „Wenn Du in der Kita zu Mittag ißt, denke ich ganz fest an Dich!". 
  • Oder Du gibst Deinem Kind einen Edelstein voller Mama-und-Papa-Liebe für seine Hosentasche mit. 
  • Oder ein kleines Armbändchen, das Dein Kind den Kindergartenmorgen an Dich erinnert. 
  • Oder Ihr kleidet Euch an einem Morgen mit viel Trennungsschmerz in den gleichen Farben. 
  • Oder das Essen in der Brotbox ist in Herzform geschnitten.


So hilfst Du Deinem Kind an Dir festzuhalten. So hilfst Du Deinem Kind im Umgang mit all den unvermeidbaren Trennungserfahrungen, von denen unser Menschsein schließlich geprägt ist.
  
Auch wenn Ihr gerade physisch getrennt seid, bleibt Ihr doch mit unsichtbaren Fäden immer verbunden (Kennst Du schon das Buch „The invisible string" von Patrice Karst? Ein Bestseller-Kinderbuch zum Thema)
  
Genauso machst Du es übrigens auch, wenn es ums Schlafengehen geht: Du richtest die Aufmerksamkeit auf die Verbindung statt auf die Trennung.
 
Zum Beispiel so: 

  • Du stellst ein Foto der Familie ans Bett Deines Kindes („wir sind alle bei Dir")
  • Du legst ein Bilderbuch unters Kopfkissen Deines Kindes. Ein Buch, das Ihr am nächsten Morgen gemeinsam anschauen könnt
  • Du lädst das Kopfkissen Deines Kindes mit Deinen Küssen und Deiner Liebe auf
  • Du versicherst Deinem Kind, dass Ihr Euch bestimmt in Euren Träumen begegnen werdet
  • Du schaust immer wieder nach Deinem Kind und legst jedes Mal ein kleines Herz an sein Bett. Am Morgen findet Dein Kind dann ganz viele Herzen von Dir...


Und klar – je unreifer und abhängiger Dein Kind ist, desto schwerer kann es Trennung ertragen. Da braucht es an manchen Stellen einfach viel Geduld und das Vertrauen in die Entwicklung Deines Kindes hinein in mehr Eigenständigkeit. 

Aber glaub mir, spätestens wenn Dein Kind ein Teenie ist, wirst Du Dich über seine Sehnsucht nach Kontakt und Nähe mit Dir freuen!
  
Bindung und Trennung – sie sind wie zwei Seiten einer Münze.
  
Wie heißt es so schön in Maurice Sendaks "Wo die wilden Kerle wohnen"? 
„Und Max, der König aller wilden Kerle, war einsam und wollte dort sein, wo ihn jemand am allerliebsten hatte."
  
Wollen wir das nicht alle?
  
Das wünsche ich Dir und Deinem Kind jedenfalls – dass Ihr immer wieder da sein könnt, wo Euch jemand am allerliebsten hat! Und falls das nicht möglich sein sollte: Du weißt schon, Hauptsache, Du beherrscht die Kunst des Überbrückens...

Wenn Dein Kind für Bindung arbeitet: 5 Tipps um Dein Kind zu entlasten...

Dieses Thema geht mir ans Herz: Wenn ein Kind für Bindung arbeitet.
 
Ein Kind spürt genau, wie es sein muß, um die Beziehung zu seinen Hauptbindungspersonen stabil zu halten. Und damit sein Bedürfnis nach Nähe, Schutz und Geborgenheit erfüllt zu bekommen.
 
Wenn sich - aus welchen Gründen auch immer - die Hauptbeziehungen eines Kindes gerade wackelig anfühlen und zu viel Trennung im Raum steht, beginnt das Kind, für Bindung zu arbeiten.
 
Denn: Bindung bedeutet für ein Kind Überleben. Und natürlich wächst die Fähigkeit, mit Trennung umzugehen mit dem Alter und der Reifeentwicklung Deines Kindes.
 
Wenn ein Kind für Bindung arbeitet kann das so aussehen - 
 je nach Bindungseinladung des Gegenübers: 

  • es macht sich leicht und unkompliziert,
  • es macht sich übertrieben süß, lieb und folgsam,
  • es ist selten wütend,
  • es macht sich kleiner als es ist,
  • oder auch: es macht sich erwachsener als es ist,
  • es ist auffallend tapfer und leistungsstark.


Die schlechte Nachricht ist: Ein Kind, das für Bindung arbeitet, bleibt unsicher, rastlos und bindungshungrig.
 
Was kannst Du also tun, um Dein Kind von seiner Bindungsarbeit zu entlasten?
 
Du weißt es bereits: Im Zweifel geht's immer wieder zurück zu den Basics.
 
Beziehung stärken. Trennung reduzieren.
 
Also: 

  • Du vermittelst Deinem Kind, dass Du immer an seiner Seite bist - komme was wolle
  • Du lädst Dein Kind großzügig dazu ein, bei Dir zu sein (auch mit seinen schwierigen Seiten...)
  • Du bietest Deinem Kind dadurch eine Art Bindungshängematte an, in der sich Dein Kind aufgehoben fühlt
  • Du vermittelst Regeln und Grenzen in Verbundenheit und siehst von trennungsbasierten Disziplinierungsmaßnahmen ab (dazu ein andern Mal mehr...)
  • Du reparierst Bindungsabbrüche - z.B. nach Konflikten oder wenn Du selbst einmal deine Mäßigung verloren hast...


P.S.: Bitte nimm obige Liste (zum Kind das für Bindung arbeitet) als Inspiration. Bei all dem ist es immer wichtig, genau hinzuschauen! Hinzuschauen, was wirklich hinter dem Verhalten deines Kindes steht (dabei unterstütze ich Dich gerne...)